International Angelman Day (IAD): 15. Februar 2019

Februar. Der Monat der seltenen Erkrankungen. Das nimmt man wahrscheinlich erst bewusst war, wenn man selber von einer solchen Erkrankung betroffen ist. Sind wir. Unsere Tochter Mari hat das Angelman Syndrom. Am 15. Februar ist Angelman Day, weil dieser Gendefekt auf dem Chromosom 15 liegt. Seit ein paar Jahren nutzen wir den 15. Februar, um über Mari und ihre Entwicklung ausführlicher zu berichten (Hier geht es zum IAD-Bericht 2018). Und um damit vielleicht auch etwas mehr Bewusstsein für das Syndrom zu schaffen. And so it is:

Mari ist im Dezember 5 Jahre alt geworden. Theoretisch sollte sie also jetzt selbstständig und vernünftig sein oder es zumindest langsam werden. Vielleicht sogar so vernünftig, dass sie ihren kleinen Schwestern erklären könnte, dass man mit 5 Jahren schon lange keinen Schnuller mehr braucht. Sie könnte mir täglich und voller Stolz demonstrieren, wie sehr ihr vorderer Schneidezahn wackelt. Vielleicht würde sie mich noch rufen, wenn sie auf die Toilette müsste, allerdings bin ich mir sicher, dass sie das schon ganz alleine schaffen könnte. Mari würde wie ihre Geschwister in einem Hochbett schlafen, mit richtiger Decke und Kissen. Und am Wochenende würde sie – wie alle anderen – eigenständig in unser Bett geklettert kommen. Ich müsste mir keine Sorgen machen, wenn Mari die Haustür öffnen und auf unsere – wirklich verkehrsberuhigte – Straße zum Spielen laufen würde. Ganz im Gegenteil: Mari könnte uns eine Hilfe sein und nach ihren Schwestern sehen.

Mit fünf kann man Fahrrad fahren, einen Schwimmkurs besuchen, bei Freundinnen spielen, man ist auf Kindergeburtstagen eingeladen. Theoretisch.

Maris Entwicklung 2018

Nun zur Praxis: Mari ist ein fünfjähriges, sehr großes und extrem starkes Kind. Sie kann nicht schwimmen, malen, Fahrrad oder Roller fahren. Mari macht noch in die Windel. Es ist ein Kraftakt, sie zu wickeln. Mari hat noch immer einen Schnuller. (Notiz an mich: Den sollte die Schnullerfee im nächsten Jahr endlich entsorgt haben.) Dass ihr Zahn wackelt, haben wir nur durch Zufall herausgefunden. Zähneputzen funktioniert nur, wenn wir sie zu zweit fixieren. Anziehen müssen wir sie. Egal ob Windel, Socken, Schal, Jacke oder Schuhe. Mari war noch nie auf einem Kindergeburtstag eingeladen.

Sie ist so süß, so aufgeschlossen und freundlich. Sie motzt und trotzt nicht, ist extrem leicht zufrieden zu stellen. Mari läuft extrem sicher und freut sich, wenn ihre Geschwister mit ihr Dreirad fahren. Im letzten Jahr hat sie – dank Einzelfallhilfe, Ergotherapie und Logopädie – gelernt, aus dem Becher zu trinken, ohne den Großteil davon zu verschütten. Sie kann eine Gabel halten, führen und das Essen landet dann tatsächlich auch im Mund. Immer häufiger sind wir mit Mari ohne Rehabuggy unterwegs. Mehr noch: Sie läuft ohne Murren eine große Runde mit uns durch den Wald und schiebt dabei ihre kleinste Schwester im Kinderwagen. Das ist wohl die größte Entwicklung, die sie im letzten Jahr gemacht hat.

Wie sehr würde ich mir manchmal wünschen, Maris Schwestern würden jeden Morgen das anziehen, was ich ihnen rauslege. Sie würden so geduldig Auto fahren und die Musik ertragen, die ich gerne höre. Sie würden voller Begeisterung auch bei Regenwetter mit dem Hund spazieren gehen. So wie Mari dies alles immer tut.

Leider hatte Mari im letzten Jahr eine der schlimmsten Epilepsie-Phasen in ihrem Leben. Und auch wenn sie uns weiterhin nicht sagen kann, wie es ihr dabei ergangen ist, sind wir uns sicher, dass es ihr sehr an die Substanz gegangen ist. Dabei waren wir und ihre Geschwister nicht nur in großer Sorge, es hat auch unsere Kraftreserven komplett ausgeschöpft.

Der Herbsturlaub kam wie gerufen und dabei mussten wir wieder einmal feststellen, dass die Furcht vor Ungewissem unberechtigt ist: Mari war bei den Flügen unglaublich lieb, hat problemlos in ihrem Hotelbett geschlafen und hatte den größten Spaß im Pool und Meer. Die perfekte Erholung für die ganze Familie.

Mari ist besonders. Und doch ist unser Leben mit ihr ganz normal. Wir sind so glücklich, dass wir sie haben. Und wir sind so glücklich, dass sie ist, wie sie ist. Mari macht unser Familienleben vollkommen.

Seit Anfang diesen Jahres bekommt Mari ein neues Medikament. Wir freuen uns sehr, dass wir schon bald mehr davon erzählen können. Worum es genau geht und alle weiteren Infos über Mari und unser Familienleben bekommt ihr ganz bald – ihr dürft gespannt sein!

Alle Informationen zum Angelman Syndrom und zum International Angelman Day bekommt ihr auf der Seite vom Angelman Verein Deutschland.