Pränataldiagnostik – Was, wann, wieso und mit welcher Konsequenz?

Eine meiner ältesten und besten Freundinnen ist schwanger. Ich freue mich wahnsinnig mit ihr. Früher haben wir uns im Englischunterricht ausgemalt, wie das wohl später wird. Der coole Typ, den wir heiraten. Das schöne Haus, in dem wir wohnen. Die vielen süßen Kinder, die wir bekommen. Unsere Phantasien waren wild. Spiessig. Und realistisch. Mögliche Steine, die uns dabei in den Weg gelegt werden könnten, haben wir komplett ausgeblendet. Auch die schlechten Englischnoten. Mit den Problemen umgehen, wenn sie da sind. Das ist und war immer unsere Devise. Und damit sind wir gut gefahren. Auch im Abi.

Am Freitag haben wir gemeinsam auf unserer Couch gesessen und uns über die bevorstehende, die besonders aufregende Zeit ausgetauscht. Immerhin setzt sie auf ein erfahrenes Pferd. Mich. Was Schwangerschaften betrifft. Und dann kam auch die Frage nach den Vorsorgeuntersuchungen. Was soll man wann und wieso machen? Und mit welcher Konsequenz? Unsere Naivität von damals ist etwas verflogen. Nicht aber der Glaube daran, dass viele Probleme oft sekundär sind. Meine aufgewühlten Gedanken habe ich mal zusammengefasst.

Ultraschalluntersuchungen: Noch ein Foto für das Familienalbum

Vier Kinder. Vier Schwangerschaften. Eine Menge Ultraschalluntersuchungen. André und ich sind Profis auf dem Gebiet und können auch ohne medizinische Vorkenntnisse auf dem Ultraschallbild einen Penis von einer Scheide unterscheiden. In der 13. Schwangerschaftswoche. Das ist nämlich der Zeitpunkt, bei dem wir bei all unseren Kindern wussten, ob blau oder rosa. Und dass sie gesund sind. Dank einer kompetenten und wirklich tollen Ärztin, die uns bestmöglich aufgeklärt hat. Und die in keiner Sekunde bei keiner Schwangerschaft das Wort gesund in den Mund genommen hat.

Alles sieht UNAUFFÄLLIG aus.

Was bedeutet eigentlich gesund. Oder unauffällig?

In meiner ersten Schwangerschaft habe ich sämtliche Untersuchungen machen lassen. Die Angst vor einer Trisomie 21 war nicht groß. Ich war aber ja auch erst 24 und sagen wir mal: naiv. Trisomie 21 ist bei den Vorsorgeuntersuchungen immer wieder gefallen. Nackenfaltenmessung, Bluttest. Wahrscheinlich, weil es häufiger Auftritt. Ich wollte alle Tests machen und sichergehen, dass unser Kind gesund ist. Unser Kind war unauffällig und in meinen Augen gesund. Wir haben uns sehr gefreut… und die ersten drei Lebensmonate nach der Geburt auf der Intensivstation einer Kinderklinik verbracht.

In der zweiten Schwangerschaft das gleiche Spiel. Von dem Wort gesund hatte ich mich gedanklich schon etwas distanziert, auch von ein paar Vorsorgeuntersuchungen. Wieder alles unauffällig und Mari eine gesunde kleine Maus. In meinem Bauch. Mit dem Angelman Syndrom. Das haben wir allerdings erst erfahren, als Mari 2 Jahre alt war. Ein seltener Gendefekt. Eine Laune der Natur. Ein Syndrom von tausenden, auf das ohne konkreten Verdacht nicht bei einer Vorsorgeuntersuchung in der Schwangerschaft getestet werden kann.

Ich hatte noch zwei weitere Schwangerschaften. Zwei weitere gesunde Kinder. Am Ende möchte ich aber eigentlich nur meine wichtigen Erkenntnisse zur Pränataldiagnostik auf den Punkt bringen:

Wir wünschen uns Kinder. Und wir haben bis heute – glücklicherweise – dank ethischen und moralischen Schranken noch nicht die Möglichkeit die Haar-, Augenfarbe, Schuh-, Hosengröße oder Intelligenz unseres Kindes zu beeinflussen oder zu bestimmen. Natürlich wünschen wir uns selbstbestimmte, selbstbewusste, selbstorganisierte Kinder, die ab einem bestimmten Punkt eigenständig ihr Leben leben können. Aber wir haben nicht das Recht, über gesund zu entscheiden. Schließlich ist auch unsere Mari ganz gesund. Mit einem Gendefekt. Die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik sind begrenzt, teilweise irreführend. Sie können eine Schwangerschaft zerstören oder zu einem Alptraum werden lassen.

Wir hatten bei allen Schwangerschaften das Glück, die Zeit zu genießen. Weil wir uns eben nicht verrückt gemacht haben.

In meinen Augen ist es wichtig, ein großes Organscreening im letzten Schwangerschaftsdrittel zu machen. Herz, Leber und co. überprüfen und dann entscheiden, wo man entbindet. So kann man sich auf Notfälle vorbereiten und hat gegebenenfalls einen Kinderarzt zur Stelle. Im Einzel- bzw. Verdachtsfall sind bestimmt auch Fruchtwasseruntersuchungen oder ähnliches von Nöten. Diese Untersuchungen haben mit Sicherheit ihre Berechtigung. Ich glaube aber, dass die Pränataldiagnostik jedem Elternpaar auch schnell eine falsche Definition von gesund vorgaukelt. Oder sie schürt Ängste, die im Nachgang völlig unbegründet waren. Man sollte sich die Naivität des Kinderkriegens bewahren. Und mit Problemen umgehen, wenn sie da sind.