15. Februar 2018 – International Angelman Day 

Am 15. Februar 2018 ist International Angelman Day. Vor genau zwei Jahren sind wir mit der Diagnose Angelman Syndrom an die Öffentlichkeit gegangen. Ein großer Schritt, zudem wir uns ganz spontan entschlossen haben. Wir sind diesen Schritt gegangen, um auf das seltene Syndrom aufmerksam zu machen. Seitdem nutzen wir den 15. Februar für ein kleines Jahresresümee über unser Leben mit Mari.

Unser Alltag mit dem Angelman Syndrom

Unser Alltag ist grundsätzlich erst einmal normal. André geht arbeiten, ich bin Zuhause bei den Kindern. Die Kinder gehen in den Kindergarten, ich kümmere mich um den Haushalt und um unsere jüngste Tochter. Ist nicht großartig anders, anstrengender oder aufregender als bei anderen Familien mit vier Kindern auch. Allerdings ist es natürlich so, dass durch Mari jeden Tag ein paar kleine Extraaufgaben auf uns warten: Das Anziehen. Wickeln. Ein anderer Kindergarten, als alle anderen Geschwister. Füttern. Medikamente. Der ewige Kampf mit der Krankenkasse. Und natürlich die fehlende Sprache, die immer große Interpretationsgabe von uns, den Betreuern und unserer Familie fordert. Mari kann sich schlecht konzentrieren, wuselt durch unser Haus und theoretisch braucht sie immer eine Person, die sich komplett ihr widmet. Eine Eins-zu-Eins-Betreuung.

Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass jede Familie ihre speziellen Extraaufgaben zu bewältigen hat. Ich schätze mich also extrem glücklich, vier wunderbare Kinder, einen wahnsinnig tollen Mann und ein schönes Zuhause zu haben und möchte mich nicht über meine Extraaufgaben beschweren. Ganz im Gegenteil: Ich versuche positiv zu denken und freue mich sehr über die Dinge, die sie jeden Tag dazu lernt.

Wenn man über den Alltag mit dem Angelman Syndrom liest, entfacht das vielleicht Mitleid, Mitgefühl oder Sorge. Zumindest ist es mir so ergangen, als ich kurz nach der Diagnose sämtliche Berichte im Internet gelesen habe. Ich habe unglaubliche Zukunftsängste gehabt und konnte nicht glauben, dass wir das jemals schaffen werden. All diese Angst war unbegründet. Man wächst mit seinen Aufgaben und selbst die schlimmsten Szenarien entwickeln eine Selbstverständlichkeit, die sich gut in jeden Alltag integrieren lassen. Die Ungewissheit und Angst vor der Behinderung ist also schlimmer, als das reale Leben mit der Behinderung.

Maris Entwicklungsschritte 2017

Nach der Angelman Diagnose 2015 sind wir in ein tiefes Loch gefallen. Mari war fast zwei Jahre alt und konnte noch nicht krabbeln, sprechen, sitzen oder laufen. Dass sie dann 2017 so unglaublich viele Entwicklungsschritte so schnell gemeistert hat, damit haben wir nicht gerechnet.

2017 hat Mari Laufen gelernt. Sie hat erste Wege gefunden, um uns zu zeigen, was sie möchte. Sie holt einen Becher, wenn sie etwas trinken möchte. Geht zum Schrank, wenn sie Hunger hat. Sie zieht uns zur Treppe, wenn sie im Keller schaukeln möchte. Dank unglaublich engagierter Betreuer und Therapeuten kann Mari endlich alleine aus einem Becher trinken. Sie führt den Löffel zu ihrem Mund und reißt nicht alles vom Tisch, was vor ihr steht. Viele kleine Schritte, die uns erahnen lassen, was noch alles möglich ist. Was Mari alles noch lernen kann.

Die scheinbare Entwicklungsstarre, in der sich Mari in ihren ersten zwei Lebensjahren befunden hat, ist durchbrochen. Mari lernt viele tolle Sachen. Jeden Tag.

Was das Angelman Syndrom für unsere Familie bedeutet

Mari ist für ihre Geschwister ein besonderes Kind. Damit versuchen wir ihnen zu erklären, warum bestimmte Dinge bei uns anders laufen. Warum uns das Angelman Syndrom zwischendurch einen Strich durch die Rechnung macht. Dennoch gibt es nichts, worauf unsere Kinder verzichten müssen. Weder Mari, noch ihre Geschwister. Ich würde sagen: Vieles ist anders, das meiste ist gleich. Wir fahren in den Urlaub. Wir unternehmen Ausflüge. Wir treffen Freunde und nehmen uns Zeit. Für jedes Kind. Und für uns als Paar.

Ein Schwank aus unserem Alltag – was ich schon immer mal loswerden wollte

Maris Behinderung wird immer offensichtlicher. Um fragende Blicke im Keim zu ersticken, gehe ich in die Offensive und erzähle jedem, dass Mari eine schwere geistige Behinderung hat. Ich bin niemandem böse, der mir sein Mitgefühl mitteilt oder nicht weiß, was er sagen soll. Ganz im Gegenteil. Wie sollte auch die perfekte Reaktion auf so eine Mitteilung aussehen? Ich kann es nicht sagen.

Gerne möchte ich trotzdem eine Sache dringend loswerden: Mari ist ein unglaublich glückliches Kind. Krankheiten oder Behinderungen gehören zu unserem Leben dazu. Es ist wichtig, sie zu akzeptieren und als normal anzunehmen. Stichwort Inklusion. Für unser Umfeld ist es noch immer seltsam, wenn ein Kind aus der Norm fällt. Es löst bei vielen Unbehagen aus. Mich möchte ich davon nicht ausschließen. Mari ist für uns aber mehr als perfekt. Sie zeigt ihren Geschwistern und uns ihre wertvolle Welt. Und was kann uns glücklicher machen, als glückliche Kinder zu haben?

Natürlich erwische ich mich immer noch bei Momenten, in denen ich mich selbst bemitleide. Momente, in denen ich Mari mit gleichaltrigen Mädchen vergleiche und traurig werde. Sie ist glücklich, wir sind es und trotzdem existiert in mir immer noch irgendwo ganz versteckt die Frage nach dem wie wäre es wenn? Das ist bestimmt normal.

Mein Wunsch für 2018

Wir haben Mari sehr gut auf Medikamente eingestellt. Mit Hilfe des Angelman Vereins haben wir die Medikamente ausgewählt, die sie gut schlafen lassen, die Epilepsie weitestgehend eindämmen und nicht zu viele offensichtliche Nebenwirkungen mit sich bringen. Leider fühlen wir uns trotzdem von Ärzten oft unverstanden. Ich würde so weit gehen zu sagen: Sie behandeln uns, also wollten wir ihnen erklären, dass wir Mari mit Bananen behandeln wollen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Forschung weiter  und schneller solche unglaublichen Schritte macht wie bisher geschehen und die Medikamente so weiterentwickelt werden, dass sie Mari dauerhaft helfen.

Alle weiteren Infos zum Angelman Day und zum Angelman Syndrom bekommt Ihr hier direkt auf der Seite vom Angelman Verein Deutschland.